Den Glauben verstehen - Wegmarken für unterwegs

Was bedeutet «christlich glauben» in multireligiösen und säkularen Zeiten? Glaube ist etwas Persönliches und drückt sich vielfältig aus. «Den Glauben» und «die Theologie» gibt es nicht. Hier zehn Wegmarken aus der reichen christlichen Tradition für den eigenen Weg.

Jedes Kind, das auf die Welt kommt, vertraut darauf, dass es willkommen ist und das Leben ihm Gutes will. «Siehe, es ist gut», ist einer der ersten Sätze der Bibel, mit dem ausgedrückt wird, dass Gott die Welt wohlgefällig betrachtet. Auch wenn wir immer wieder darum ringen müssen: Gott ist die Kraft, die Gutes schafft.

In jedem Menschen scheint Gott auf. Mit Jesus zeigt sich Gott als Mensch und Gegenüber. Gott hat viele Facetten. Das Christentum spricht von der Dreieinigkeit, quasi von einem Gott mit drei Gesichtern: Vater und Mutter, Sohn und Heiliger Geist. «Geist» ist die Übersetzung von «Ruach», dem Hauch Gottes, der alles belebt. So wird eine Kraft spürbar, die das Leben erneuert.

Die Welt ist gut, schön und wahr. Zumindest ist sie so angelegt. Die Fülle des Lebens ist da, um uns daran zu erfreuen. Das Christentum ist vor allem eine Diesseits-Religion. Es geht um das Hier und Jetzt. Die Menschen sind geboren, um sich zu entwickeln und zu entfalten – geborgen und autonom, jeder für sich und gemeinsam miteinander.

Das Christentum nimmt Böses, Dunkles und Leiden ernst. Jesus Christus wird gekreuzigt, er stirbt und wird begraben. Christen glauben, dass er auferstanden ist. Das Leben ist stärker als der Tod. Leiden und Sterben haben nicht das letzte Wort. «Ich werde alle Tränen abwischen», lautet Gottes Verheissung. Das macht Schweres nicht ertragbarer. Trotzdem nährt es Hoffnung und gibt Mut für Bedrängte und Unterdrückte.

Unrecht und Verletzungen geschehen immer wieder, auch ganz schreckliche. Jeder Mensch ist Opfer und Täter. Das Christentum sieht diese Taten. Es unterscheidet sie aber vom Menschen, der Schwester und dem Bruder. Deshalb sei barmherzig und vergib, wo immer du kannst. Und wo es nötig ist, bitte um Vergebung, damit du wachsen kannst und dein Gegenüber auch. Nicht der perfekte Mensch ist die Vision, sondern das menschliche Neben- und Miteinander.

Es gibt nichts, was du musst. Das Christentum ist eine Freiheitsreligion. Die Bibel lebt von Befreiungsgeschichten. Du bist frei – gestehe die Freiheit auch anderen zu. Wir sind mündige Christinnen und Christen. «Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.» Die Talente, die Urteilskraft und der Menschenverstand jedes einzelnen sind gefragt.

Gott zu lieben, seine Nächsten, sich selbst und sogar die Feinde, ist das wichtigste christliche Gebot. Jede Frau auf dieser Erde ist deine Schwester, jeder Mann dein Bruder. Auch die Tiere, die Pflanzen, der ganze Kosmos sind deiner Liebe würdig. Liebe ist mehr als ein Gefühl, es ist auch ein vernünftiger Entscheid: im Vis-à-vis Gottes Geschöpf zu sehen, das leben will, inmitten von Leben, das leben will.

Wie du betest, hängt von dir ab: still oder leise, als Ritual oder als Haltung, alleine oder in Gemeinschaft. Glaube ist ein Lernprozess, der nie endet. Wenn du mit den Menschen anfängst, frag auch nach Gott. Wenn du mit Gott anfängst, frage auch nach den Menschen. Im Beten verbinden sich Menschenwelt und Gotteswelt. Betend schaffst du Raum für tragende Beziehungsnetze und für Neues.

Friede im Himmel wie auf Erden ist eine christliche Vision. Hinschauen, Urteilen und Handeln sind gefragt. Es braucht einen Ausgleich zwischen den Bedürfnissen verschiedener Menschen und Gruppen. Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Solidarität sind Leitlinien dafür und brauchen Mut und Kreativität. Christen glauben an eine Kraft, die die Welt verändern kann. Am Aufbau des Reich Gottes mitzuarbeiten, ist eine Herausforderung. Deshalb bitten wir: «Unser Vater, Dein Reich komme».

Die Bibel ist geprägt durch Gotteserfahrungen aus mehr als 2000 Jahren. Auch deine eigenen Erfahrungen und deine Stimme sind wichtig. Die Bibel fordert heraus zum selber Denken und zum Dialog. Nicht alles ist gleich wahr – es muss aus dem damaligen Zusammenhang heraus verstanden werden. Viele Texte haben aber eine urtümliche, die Zeiten überdauernde Kraft und Weisheit. Wer sich darauf einlässt, entdeckt neue Wege.